Der Hamam aus dem Nahen Osten vereint gleich mehrere Wellnesserlebnisse für ein ganzheitliches Wohlbefinden von Körper und Geist. Die jahrhundertealten Wellnesstraditionen, die ihren Ursprung bei den alten Römern fanden, vermischen den Besuch im Dampfbad mit rituellen Peelings und Massagen – und lassen uns den Orient mit allen Sinnen erleben.
Römische Therme und byzantinische Badetraditionen
Wie auch die heutige europäische Wellness lässt sich der Hamam auf die Therme im alten Rom zurückführen. Im 7. Jahrhundert nach Christus weiteten die Römer ihr Reich bis zur Türkei aus und brachten ihre Badetraditionen mit sich. Von dort gelangten sie in umliegende arabische Regionen und sogar bis an die afrikanische Westküste nach Marokko.
Während die öffentlichen Bäder im Westen nach und nach verschwanden, bis sie im Mittelalter kaum noch eine Rolle spielten, blieben die Orte der Reinigung im Osten erhalten: Byzantinische Bäder behielten viele Merkmale der antiken römischen Therme bei. So liessen sie sich beispielsweise von ihrer Architektur inspirieren – die kunstvollen Mosaikverzierungen gehören auch heute noch zum Hamam und galten zu Zeiten des Mittelalters als Statussymbole grösserer Städte.
Körperliches und seelisches Wohlbefinden
Orientalische Wellness konzentriert sich nicht nur auf körperliche Hygiene und Gesundheit. Auch die seelische Reinigung und Entspannung nimmt einen zentralen, wenn nicht gar noch wichtigeren, Teil der Rituale ein. Hier liegt auch der Zusammenhang zu der Religion begründet: Der Besuch eines Hamams erfolgt traditionellerweise vor dem Besuch einer Moschee. Das Dampfbad war damit der Ort der rituellen Waschung vor dem Gebet.
Im Westen ist dieser religiöse Bezug zwar verlorengegangen, dennoch gilt auch in unseren Breitengraden die psychische Entspannung immer noch als wichtiger Bestandteil des Wellnessrituals.
Sozialer Treffpunkt
Wie in der Antike war und ist der Hamam neben einem Ort der Reinigung auch ein Ort der Begegnung. Zwar hatte das orientalische Dampfbad als öffentliches Bad in erster Linie hygienische Gründe; Das Knüpfen von sozialen Kontakten, Austauschen von Neuigkeiten und sogar Abhalten von Festen zu wichtigen Lebensereignissen wie Geburt und Ehe gehörten jedoch auch dazu.
In Mitteleuropa ging der soziale Aspekt des Hamams (wie auch der finnischen Sauna oder russichen Banja) verloren. Viel mehr steht hier das individuelle Erholen vom Alltagsstress im Zentrum.
Strikte Geschlechtertrennung
Orientalische Wellnesseinrichtungen werden nach Geschlecht getrennt besucht. Dabei werden entweder geschlechtergetrennte Gebäude errichtet oder innerhalb eines Gebäudes Räumlichkeiten ausschliesslich für Frauen oder Männer zur Verfügung gestellt. In einigen Bädern funktioniert die Geschlechtertrennung auch durch unterschiedliche Zeiten, an denen die Bäder nur von Personen des jeweiligen Geschlechts besucht werden können.
Auch für den Service im Hamam gilt: Massagen und Waschungen werden nur gleichgeschlechtlichen Kunden und Kundinnen angeboten.
Gemischte Bäder gibt es traditionellerweise nicht. Auch in westlichen Hamams gilt vielerorts die Geschlechtertrennung, allerdings werden gelegentlich auch Zeiträume angeboten, in denen die Einrichtungen sowohl von Männern als auch Frauen besucht werden können.
Das Hamam-Ritual
Der Ablauf eines Hamam-Besuchs folgt einer bestimmten Reihenfolge. Bei der Ankunft wird als erstes der Umkleideraum, «Sogunmalik», aufgesucht. Dort wird mit klarem Wasser geduscht (wie auch in der Sauna sollte auf parfümierte Duschgels und Shampoos verzichtet werden) und die Kleidung wird gegen ein traditionelles Hamam-Badetuch aus Seide oder Baumwolle eingetauscht. So ausgestattet ist man bereit für die erste Station des Wellnessrituals.
Sanfte Einstimmung
Der erste Raum des Hamam-Besuchs ist in der Regel ein mildes Dampfbad. Die auf Türkisch «Sogukluk» genannte Dampfkabine wird mit milden Temperaturen von 35 bis 40 Grad Celsius betrieben, damit sich die Gäste an die feuchte Hitze gewöhnen können. Häufig wird der Wasserdampf mit ätherischen Ölen versetzt, die eine sinnliche Duftatmosphäre schaffen.
Oktagon – das Zentrum des Wohlbefindens
Nach der Aufwärmphase gelangt man in den «Sicaklik», ein mit 50 Grad Celsius Lufttemperatur deutlich wärmeres Dampfbad. Der Raum ist typischerweise achteckig, wobei sich an den Wänden Wasserbecken mit unterschiedlichen Temperaturen für die Waschungen befinden. Im Zentrum liegt der Nabelstein, «Göbektasi», ein von unten erwärmter Stein, auf welchem man sich zwischen den einzelnen Wellness-Anwendungen ausruhen und die Wärme geniessen kann.
Individuelle Spa-Behandlungen
Im «Sicaklik» gibt es verschiedene Wellness-Angebote, wozu unter anderem Kese und die Seifenschaummassage gehören. Kese ist ein orientalisches Körperpeeling, bei welchem Masseure die Gäste mit einem Handschuh aus Ziegenhaar verwöhnen. Dabei werden tote Hautschüppchen entfernt, die Durchblutung der Haut wird angeregt und das Hautbild verfeinert sich.
Nach dem Kese-Peeling folgt die Seifenschaummassage. Dabei wird Schaum auf dem ganzen Körper verteilt und mit speziellen Massagetechniken sanft in die Haut einmassiert. Die zuvor von toten Zellen befreite Hautoberfläche wird dadurch gründlich gereinigt und die Muskulatur kann sich so richtig entspannen.
Der Abschluss des Rituals führt in einen kälteren Ruheraum. Traditionellerweise wird dort Tee serviert; die durch das Schwitzen geleerten Wasserspeicher werden wieder aufgefüllt und der Körper hat Zeit, sich von den heissen Temperaturen zu erholen.
Quellen:
Bbc.com: The origins of bathhouse culture around the world.
Dayspainsider.com: Hamam Erlebnis: So läuft das Ritual im Türkischen Bad.
Schoenesleben.ch: Hamam, die Wellness-Oase aus dem Orient.
Swav-berlin.de: Die Hamam Massage – Ursprung und Ablauf der Massagetechnik
Williams, Elizabeth (2012): Baths and Bathing Culture in the Middle East: The Hammam. Metmuseum.org.
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