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Rituelles Schwitzen: Die amerikanische Schwitzhütte

In unseren Breitengraden steht die Sauna vor allem für eins: Entspannen. Die heisse Kabine wird besucht, um vom Alltag abzuschalten, sich einen Moment für sich selbst zu gönnen und einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Doch das ist bzw. war nicht überall auf der Welt so. In den indigenen Kulturen Nordamerikas beispielsweise ist die Schwitzhütte bis heute stark mit spirituellen Ritualen verknüpft.


Individuelle Zeremonien

Die Tradition der Schwitzhütte geht in Nordamerika mindestens bis ins 17. Jahrhundert zurück, wie archäologische Funde zeigen. Zu dieser Zeit waren die Rituale noch sehr individuell: Jeder Stamm und jeder Medizinmann eines Stammes führten das Ritual unterschiedlich durch – abhängig von den Geistern, die im jeweiligen Stamm verehrt wurden, und von der persönlichen Erfahrung des Schamanen.


Schwitzhüttenritual als verbotene religiöse Handlung

Zeitgleich mit der Ankunft der Europäer auf dem amerikanischen Kontinent begann die Missionierung der indigenen Völker. Die eigenen kulturellen und religiösen Praktiken wurden unterdrückt und in einigen Fällen sogar verboten – das galt auch für das Ritual der Schwitzhütte. Obwohl die Rituale im Verborgenen teilweise weiterhin durchgeführt wurden, gerieten viele Aspekte der Zeremonie durch das Verbot in Vergessenheit. Heute unterscheiden sich die Schwitzhüttenrituale der einzelnen Stämme deshalb kaum mehr voneinander.


Heilung auf drei Ebenen

Erhalten geblieben ist die spirituelle Auffassung der Schwitzhüttenzeremonie. Statt aus reinem persönlichem Wohlbefinden zu schwitzen, wie es bei uns üblich ist, wird der Besuch der Schwitzhütte mit einer ganzheitlichen Heilung verbunden. Diese betrifft drei Ebenen:

  • Die körperliche Heilung: Das Ritual in der Schwitzhütte reinigt einerseits den Körper. Durch den Schweiss werden Giftstoffe ausgeschieden, zudem hat der Besuch der Schwitzhütte eine antibakterielle Wirkung und kann damit die Heilung von Wunden beschleunigen.

  • Die geistige Heilung: In der Schwitzhütte kann sich der Geist ohne Ablenkung fokussieren und damit von unwichtigen Gedanken befreien. Ziel der Schwitzhüttenzeremonie ist neben einem gesunden Körper also auch ein klarer Geist.

  • Die spirituelle Heilung: Während der Zeremonie stellen die Teilnehmenden sowohl eine tiefe Verbindung zu sich selbst als auch mit der Natur und der Geisterwelt her. Diese umfassende Spiritualität spiegelt das Weltbild der indigenen Kulturen wider, in welchem die Natur einen sehr hohen Stellenwert einnimmt.

Vereinigendes Ritual

Neben der heilenden Wirkung wird das Schwitzhüttenritual auch aus einem sozialen Gedanken heraus durchgeführt. Die indigenen nordamerikanischen Völker sehen die Zeremonie bis heute als wichtiges Merkmal der eigenen Kultur – und damit als Bindeglied zwischen den einzelnen Stämmen. Das Ritual fördert also auch das indigene Gemeinschaftsgefühl; nicht selten bezeichnen sich Teilnehmende eines Rituals nach dessen Durchführung als Verwandte, unabhängig davon, welchem Stamm sie angehören.


Bau der Schwitzhütte als Teil der Zeremonie

Die indigenen Völker Nordamerikas lebten als Nomaden. Wie auch der Rest der Hütten, wurden die Schwitzhütten dementsprechend immer wieder neu errichtet. Bis heute werden Schwitzhütten nicht «einfach so» gebaut; stattdessen folgt ihre Errichtung in der Regel auf eine spirituelle Vision des Medizinmannes. Die Konstruktion der Hütte gehört wie die eigentliche Zeremonie zum Ritual dazu: Wie die Äste im Grundgerüst angeordnet werden ist dabei genauso von Bedeutung wie die symbolischen Detailverzierungen und die Gebete während des Aufbaus.


Gebete und Gesang

Sobald das fertige Grundgerüst mit Decken (früher auch Tierhäuten) bedeckt wurde, kann die Zeremonie beginnen. Dazu werden heisse Steine in die Hütte getragen und dort mit Wasser oder Kräutersuden übergossen – das Prinzip ist also dasselbe, wie auch in der uns bekannten Sauna. Allerdings steht hier das Ritual im Zentrum, das durch den Medizinmann geleitet wird: Er stimmt die Gebete und Gesänge an. Je nach Zeremonie untermalen Trommeln oder Rasseln die Gesänge, teilweise gehören auch eine Gebetspfeife oder Opfergaben dazu.


Wiedergeburt im «Nabel des Universums»

In der traditionellen Auffassung wird die Schwitzhütte metaphorisch als Welt verstanden: Sie repräsentiert das gesamte Universum und wird deshalb auch als «Nabel des Universums» bezeichnet. Nach Abschluss der Zeremonie treten die Teilnehmenden im übertragenen Sinne als Wiedergeborene aus der Schwitzhütte.


Markierung wichtiger Lebensstationen

In Finnland wird die Sauna teilweise bis heute bei wichtigen Veränderungen im persönlichen Lebensweg besucht, beispielsweise bei Heirat oder der Geburt eines Kindes. Auch bei den indigenen nordamerikanischen Völkern steht das Schwitzhüttenritual häufig in Verbindung mit wichtigen Lebensstationen, die den ganzen Stamm betreffen. So wird der Stamm durch das Ritual vor Krankheiten oder anderem Unglück geschützt oder der zukünftige Erfolg wird sichergestellt. In traditionellen Erzählungen holte das Ritual sogar verstorbene Stammesmitglieder wieder ins Leben zurück.





Quellen:

  • De.wikipedia.org: Schwitzhütte.

  • Learnreligions.com: Recounts of the Healing Benefits of Sweat Lodge Ceremonies.

  • Plainshumanities.unl.edu: Encyclopedia of the Great Plains: Sweat Lodge.

  • Pluralism.org: Sweat Lodge.


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