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Rundum gesund: Kneippen als ganzheitliche Gesundheitslehre

Regelmässigen Saunabesuchern dürfte die Wirksamkeit von Temperaturreizen bekannt sein. Die heisse Saunaluft gefolgt vom Abtauchen ins kalte Nass stärkt die Abwehrkräfte und weckt die Lebensgeister, entschlackt und wirkt sich positiv auf das psychische Wohlbefinden aus. Kurz: man fühlt sich rundum gesund. Diesen Ansatz des ganzheitlichen Wohlbefindens vertrat auch der Pfarrer Sebastian Kneipp, der die Wellness mit seiner Kneipp’schen Gesundheitslehre bis heute prägt.


Die heilende Wirkung kalten Wassers

Sebastian Kneipp wuchs im frühen neunzehnten Jahrhundert unter ärmlichen Verhältnissen in Bayern auf. Die strenge körperliche Arbeit, die er bereits in der Kindheit verrichten musste, schwächte seinen Körper und liess ihn schon früh an Tuberkulose erkranken. Sein Zustand verschlechterte sich, bis ihm die Ärzte mit knapp dreissig Jahren seinen baldigen Tod voraussagten. Als letzten Therapieversuch begann er, mehrmals in der Woche Bäder im kalten Flusswasser zu nehmen. Der Versuch zeigte Wirkung: Langsam aber stetig erholte er sich von seiner Krankheit. Auf dieser Erfahrung aufbauend entwickelte Kneipp seine Gesundheitslehre, die er zwischen 1886 und 1889 in zwei Bänden veröffentlichte.


Die fünf Säulen der Gesundheit

Bekannt sind von Kneipp in erster Linie seine Wasseranwendungen. Allerdings stellen diese nur einen Teil der Kneipp’schen Gesundheitslehre dar, die in ihrem Grundgedanken aus fünf Säulen besteht. Zusammen haben diese zum Ziel, die körpereigene Immunabwehr zu stärken, den Körper abzuhärten und zu kräftigen, ihm aber gleichzeitig genug Zeit zu geben, sich zu erholen. Neben der bekannten Hydrotherapie gehören Heilpflanzen, eine ausgewogene Ernährung basierend auf frischen, biologischen Lebensmitteln, regelmässige Bewegung (ohne Überlastung!) und die sogenannte «innere Ordnung» dazu. Letztere bezeichnet die geistige Lebenseinstellung. Diese schloss Kneipp in sein Gesundheitskonzept ein, da er der Überzeugung war, dass ein Leben im Einklang mit der Natur sowie eine positive Grundeinstellung sich auch auf das körperliche Wohlbefinden auswirken.


Reiztherapie

Grundgedanke der Wasseranwendungen, der bis heute bekannten und angewandten Kneipp-Therapie, ist das Setzen von Reizen. Das sind einerseits thermische Reize, wie sie auch in der Sauna zum Tragen kommen, andererseits aber auch mechanische Reize bzw. beide in Kombination.

Besonders häufig zur Anwendung kommen Kaltwasserreize. Kommt die Haut mit kaltem Wasser in Kontakt, ziehen sich die Gefässwände zusammen und die Immunreaktion des Körpers wird aktiviert. Regelmässige Therapie trainiert die Gefässe und hat langfristige Verbesserungen der Organleistungen, eine gesteigerte Durchblutung sowie die Entlastung des Herz-Kreislauf-Systems zur Folge. Zusätzlich wird der Wärmehaushalt stabilisiert.


Kaltes Wasser und Waldboden

Beispiel für eine Kaltwasseranwendung ist das Wassertreten. Dabei wird ein niedriges Becken mit kaltem Leitungswasser gefüllt, sodass es bis knapp unter das Knie reicht. Die Beine werden dann während einer Minute abwechselnd aus dem Wasser gehoben und wieder eingetaucht.

Zusätzlich zum thermischen Reiz, kann hier ein mechanischer Reiz gesetzt werden. Nach der Anwendung im Kaltwasserbecken bietet sich unebener Boden an, über den man schnell gehen kann. Dabei kann es sich beispielsweise um Waldboden oder Steine handeln.


Entschlackungsbäder als Verjüngungskur

Chronische Übersäuerung gilt als eine der Hauptursachen für beschleunigte Alterungsprozesse und ist in unserer modernen Gesellschaft leider keine Seltenheit. Durch säurehaltige Nahrungsmittel, Bewegungsmangel und Stress kommt unser Säure-Basen-Haushalt aus dem Gleichgewicht. Für Ausgleich sorgen thermische Reize durch Warmwasserbäder, die wie eine Entschlackungskur wirken. Dazu füllen Sie die Badewanne mit etwa 38-grädigem Wasser und seifen sich während zwanzig bis dreissig Minuten gründlich ein. Durch das Schwitzen im heissen Wasser werden Schadstoffe ausgeschwitzt und der Säure-Basen-Haushalt wieder ins Gleichgewicht gebracht. Wichtig: Die Wirkung zeigt sich noch nicht nach dem ersten Bad. Damit die Entschlackungskur wirkt, sollten Sie drei bis vier Mal an aufeinanderfolgenden Tagen in die warme Wanne steigen.


Hydrotherapie für Wasserscheue

Die Behandlung mit Trockenbürsten wird in der Regel auch zur Hydrotherapie hinzugezählt, selbst wenn die Therapie mit Wasser wenig zu tun hat. Stattdessen handelt es sich – wie der Name vermuten lässt – um eine Trockenanwendung, die allerdings ähnliche Auswirkungen auf den Körper hat wie die Wasseranwendungen: die Organdurchblutung wird gefördert, das Herz-Kreislauf-System entlastet und die Haut kann sich regenerieren.

Am besten wenden Sie die Trockenbürste aus Naturborsten morgens direkt nach dem Aufstehen an. Viel Zeit benötigen Sie dafür nicht; fünf Minuten reichen für die Massge aus. Beginnen Sie mit dem rechten Fussrücken, gehen Sie dann über zur Fusssohle und arbeiten Sie sich langsam mit kreisförmigen Bewegungen dem Bein entlang hoch. Wiederholen Sie die Übung auf der linken Seite. Nach den Beinen sind die Arme dran; beginnen Sie auch hier auf der rechten Seite und führen Sie die Massage Richtung Herz fort.


Kältereiz nach der Sauna: Kneippgüsse

Besonders wirksam ist der Kältereiz nach einem vorherigen Wärmereiz, wie beispielsweise nach der Sauna oder dem Dampfbad. In öffentlichen Spa-Anlagen gehören Kneippschläuche häufig mit zur Ausstattung und können statt des Tauchbades zur Abkühlung verwendet werden. Wie bei der Massage mit der Trockenbürste gilt es hier, eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten, damit die Anwendung besonders wirksam und kreislaufschonend durchgeführt werden kann. Begonnen wird am herzfernsten Punkt des Körpers: dem rechten Fuss. Dann wird der Kaltwasserguss in Richtung Herzen weitergeführt.





Quellen:

  • Ganz, Chrischta (2016): Die Kneipp’sche Gesundheitslehre. In: Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin.

  • Gündling, Peter W. (2019): Mit kaltem Wasser gegen Alterungsprozesse – «Anti Aging» mit Hydrotherapie nach Kneipp. In: Erfahrungsheilkunde.




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